Nach The One von John Marrs, hat der Heyne Verlag erneut einen Roman veröffentlicht, der als Science Fiction angekündigt wurde, aber eher als alles andere durchgehen könnte: nur nicht als waschechte SF. Die Rede ist vom Romandebüt der US-Amerikanerin Sarah Archer: The Plus One. Hierbei haben wir es eher mit einem Romance-Titel zu tun, genauer gesagt, einer Liebeskomödie.
Erzählt wird die Geschichte der Roboteringenieurin Kelly Suttle, die in ihrem Beruf eine ziemliche Kapazität ist und bei einem bahnbrechenden Androidenprojekt im kalifornischen Silicon Valley bei der innovativen Roboterfirma namens AHI (Automated Human Industries) mitarbeitet, aber im sonstigen Leben eher versagt. Sie ist 29 Jahre alt und natürlich Single. Sie ist introvertiert, hat daher kaum Freunde und führt ein superlangweiliges eintöniges Leben, bei dem die meisten Tage abends auf der Couch vor dem Fernseher enden. Und wenn sie mal ein Date mit einem Mann hat, dann endet dies meist in einer Katastrophe. Oder sie flüchtet einfach. Bei ihrer Schwester dagegen läuten bald die Hochzeitsglocken. Ihre Mutter, die ein Brautmodengeschäft führt und nichts lieber tut als Hochzeiten zu arrangieren, drängt Kelly schon lange, doch endlich ihrem Leben einen Sinn zu verleihen. Sprich: einen Mann heiraten.
Da hat Kelly eine Idee, die sie sogleich in die Tat umsetzt. Um bei der Hochzeit ihrer Schwester nicht alleine auftauchen zu müssen, klaut sie Roboterteile in ihrer Firma und konstruiert sich den perfekten Lebenspartner. Der Android, der von einem echten Menschen nicht zu unterscheiden ist, heißt Ethan. Er ist der perfekte Traummann, denn er ist gescheit, da er sein Wissen in Echtzeit aus dem Internet bezieht. Oberdrein sieht er umwerfend toll aus, hat gute Manieren und kümmert sich fürsorglich um sie. Eigentlich war ihr Plan, den liebenswürdigen Ethan nach der Hochzeit wieder abzuschalten und auseinander zu bauen. Doch dann merkt Kelly, dass sie sich immer mehr in ihn verliebt.
Wer Susan Seidelmans 1980er-Jahre-Streifen Making Mr. Right – Ein Mann à la Carte mit John Malkovich gesehen hat, dem wird die Grundstimmung des Romans bekannt vorkommen. Liebe zwischen Mensch und Maschine/Roboter/Android kann lustig sein. Ist aber auch irgendwie morbide, denn es hat etwas ziemlich artifizielles. Eine Künstliche Intelligenz, und ist sie noch so perfekt konstruiert, kann alle Aspekte aus dem Bereich Emotionen und Menschlichkeit nur simulieren. Selbst wenn man sich blenden und täuschen lässt und sich etwas anderes einredet, bleibt man am Ende des Tages in einer Partnerschaft mit einem Roboter alleine.
Archers Roman ist sehr flott zu lesen. Er ist modern und witzig. Für tiefergehende Gedanken ist jedoch kein Platz. Man sollte schon gar nicht darüber sinnieren, wie das gehen soll, dass Kelly ihren Ethan quasi übers Wochenende zusammenbastelt und dieser ohne irgendwelche Pannen perfekt funktioniert. Man sollte auch nicht über die vielen Klischees nachdenken, die in dem Roman verbraten werden. Bereits beim dargestellten, völlig veralteten Frauenbild, welches Kellys Mutter verkörpert und dem Kelly indirekt gerecht werden will, dürfte jede selbstbewusste Frau während der Lektüre immer mal wieder vehement den Kopf schütteln. Natürlich lebt die Handlung von den ganzen eingefahrenen und schablonenhaften Verhaltensweisen von Kelly, ihrer Familie und ihren Arbeitskollegen. Aber man hätte das auch etwas progressiver lösen können als mit einer Protagonistin, die sich immer weiter in ihre Charade mit ihrem vermeintlichen neuen Lover Ethan verstrickt.
Unterm Strich ist der Roman für mich keine gute Science Fiction. Im Gegenteil, The Plus One ist ein besonders schlecht konzipiertes SF-Buch. Wer allerdings auf »Chick Lit« und »RomComs« steht, also romantische Komödien, die mehr oder weniger klischeehaft Frauencharaktere durch komplizierte Beziehungswelten schicken und alles mit einem leicht ironisierenden Unterton erzählen, ist hier genau richtig. Ich würde den Roman als durchaus unterhaltende Strandlektüre empfehlen, die man schnell gelesen, aber ebenso schnell wieder vergessen hat.
Die Daten:
Sarah Archer, The Plus One
Originaltitel: The Plus One (2019)
Verlag: Heyne
Übersetzung: Stefanie Frieda Lemke
Titelillustration: Vikki Chu
Format: Taschenbuch
Seiten: 352 Seiten
Veröffentlichungsdatum: 13. Januar 2020
ISBN: 978-3-453-32033-8
Preis: € 12,99